2012年德语故事:Abschied
分类: 德语
时间: 2023-02-19 18:40:40
作者: 全国等级考试资料网
Gestern war ein alptraumhafter Tag gewesen. Er h?tte viel darum gegeben, wenn es nur ein Alptraum gewesen w?re. Aber das konnte es nicht sein, denn sonst w?re er schon l?ngst aufgewacht. Genauer gesagt war nicht nur der gestrige Tag furchtbar gewesen, sondern auch der jetzige Moment war schrecklich. Im Augenblick stand er einfach nur da an diesem frühen, sonnigen Oktobermorgen. Er trug seinen Rucksack über dem Rücken, atmete in kurzen und flachen Atemzügen die vom intensiven Regen der vergangenen Nacht feuchte Luft ein und war wie gel?hmt. Unschlüssig, einen Schritt nach vorne zu machen. Da war diese Mauer.
Glauben konnte er es bis jetzt immer noch nicht, obwohl der Kleine tot war, für immer ausgel?scht wie ein kleines Feuer durch einen Eimer kalten Wassers. Auch, nachdem er ihn fast zehn Minuten mit Tr?nen in den Augen angesehen hatte, wie er tot am Boden seines K?figs lag, war es unm?glich für ihn, sich zu überzeugen, dass sein ehemaliger Freund sein Leben zu Ende gelebt hatte. Aufgeh?rt hatte, sein Freund zu sein. Peters Augen hatten gesehen, aber sein Verstand hatte hinterhergehinkt wie ein alter, gebrechlicher Greis. Er konnte es nicht fassen so wie jemand, der seit zwanzig Jahren Lotto spielt, erst einmal realisieren muss, dass er den Jackpot mit sechs Richtigen ausger?umt hat. Peter hatte ihn sogar mehrmals mit dem Zeigefinger angestupst. Gehofft, er würde dadurch aufwachen aus seinem, wie er sich in Gedanken einredete, tiefen Schlaf und seine kleinen Vogelaugen ?ffnen. Aber das passierte natürlich nicht. Der Kleine hatte sich nicht mehr gerührt und jetzt h?tte nur noch ein Wunder helfen k?nnen, aber Wunder gab es auf dieser Welt nicht. Kleine Wunder, die streng genommen eigentlich keine waren, gab es durchaus, aber um Sammy wieder lebendig werden zu lassen, h?tten diese Art von Wunder nicht ausgereicht. Trotzdem hatte Peter bitte lieber Gott, mach das er wieder atmet gedacht. Mach, dass er wieder einen seiner kleinen Flügel bewegt oder sonst ein Lebenszeichen von sich gibt. Lieber Gott, ich verspreche dir auch, dass ich jeden Sonntag brav und artig in die Kirche gehe. Wenn du ihn mir wieder zurückgibst, verspreche ich dir sogar, dass ich auch die Abendmesse samstags besuche. Dabei hatte er mit feuchten und ger?teten Augen nach oben zur wei?en Decke der Küche geblickt, die kalten H?nde gefaltet und sein flehender Blick h?tte das Herz eines jeden Menschen zum Schmelzen bringen k?nnen. Aber nicht Gottes Herz, wenn er denn eins hatte und überhaupt zuh?rte.外语学习网
Der kleine Vogel regte sich kein bisschen mehr, weil Gott es so wollte und schlief den ewigen Schlaf der Toten.
Nie wieder würde er Peter sanft des Morgens mit seiner lauten und schrillen Vogelstimme wecken, wenn die ersten Sonnenstrahlen durch die Ritzen der Jalousie fielen. Nie wieder würde er ihm die schwarzwei?en, gro?en Futterkerne, die Peter ihm manchmal an die Gitterst?be des K?figs gehalten hatte, mit seinem Schnabel aus Daumen und Zeigefinger entrei?en, um sie dann zu knacken und das Innere genüsslich zu fressen. Nie wieder würde er ihn mit seinen sympathischen Vogelaugen anblicken, die oft nachdenklich gewirkt hatten und eine eigene Geschichte zu erz?hlen hatten. Eine Geschichte, die Peter nie erfahren hatte. Eine Geschichte, die der Kleine mit in sein Grab genommen hatte. Das Alles war für immer vorbei.
Jetzt stand Peter mit dem blauen Rucksack in der N?he des Waldes. Den Rucksack hatten ihm seine Eltern zum letzten Weihnachten geschenkt. Er war gro? und ger?umig und es passten jede Menge Bücher und Hefte hinein. Dieser Vorteil barg jedoch den Nachteil, dass das Ding dann verdammt schwer wurde und wenn Peter an manchen Schultagen verschwitzt und müde nach Hause kam und sich das schwere Ungetüm abstreifte, fühlte er sich unendlich erleichtert.
Der Junge hatte den Rucksack vorher gründlich entleert und die Schulsachen lagen nun auf dem Boden seines Kinderzimmers verstreut. Als Gep?ck führte er unter anderem eine aus Holz gebastelte kleine Kiste mit. Er hatte sie damals im Werkunterricht in der Grundschule angefertigt und seitdem war sie auf einem Regal über seinem Bett gestanden. Er hatte eigentlich nie gewusst, für was so ein Ding gut sein konnte, au?er das man es irgendwo hinstellen konnte so wie man ein Bild an die Wand h?ngt, so dass es jeder sehen kann. Bis gestern. Gestern Abend hatte er, nachdem er wieder einigerma?en klar denken konnte, einen Einfall gehabt. Er würde die Kiste als Sarg benutzen und sie zusammen mit dem Kadaver drau?en im Wald an einem einsamen Platz vergraben. Aber selbst, als er den Kleinen vorsichtig mit seiner Hand aus dem K?fig herausgehoben, in die kleine Kiste aus Holz hineingelegt hatte und dabei den ungew?hnlich kalten K?rper gespürt hatte, hatte er es nicht richtig glauben k?nnen. Als würde ich tr?umen, hatte er gestern gedacht. Wenn es ein Traum ist, dann hoffe ich, dass ich bald aufwachen werde. Die Hoffnung war in dem Moment immer gr??er geworden wie ein Ballon, den man aufbl?st und mit einem Mal war sich Peter v?llig sicher gewesen. Er hatte fast gel?chelt. Er war wieder in seiner Welt des Wunschdenkens gewesen. Eine Welt, in die er ?fters in seinem Leben geflüchtet war so wie man vor einem ungew?hnlich kalten Winternachmittag flieht, indem man nach Hause l?uft, um dort vor der voll aufgedrehten Heizung und in dicke Decken gepackt, einen hei?en Tee zu genie?en. Eine Welt, in der der Himmel immer blau und wolkenlos war, wo es nie K?lte und Dunkelheit gab, wo kein Leid, keine Schmerzen, keine Niederlagen existierten und wohin der Tod nie kommen würde. Sein kleiner Freund konnte unm?glich tot sein und wenn er doch tot war, dann musste es ein Traum sein. Eine Stimme, die er kannte, hatte geflüstert: Alles nur ein Traum. Ja. Ich werde die Augen aufschlagen, feststellen, dass es sieben Uhr morgens ist und dass der kleine Sammy auf seiner Stange sitzt. Lebendig. Und ich werde mich erleichtert wieder umdrehen und mich an die Volksweisheit erinnern, dass wenn jemand im Traum stirbt, man dadurch sein Leben verl?ngert hat. Glücklich und zufrieden werde ich dann wieder einschlafen.
Aber er war nicht aufgewacht. Immer wieder hatte er sich in den Arm gekniffen, bis er lauter rote Flecken gehabt hatte. Und wehgetan hatte es auch. Leider, denn das bewies die Tatsache, dass es kein Traum war, in dem passieren konnte, was wollte, ohne dass es richtig passierte, sondern kalte, brutale Realit?t. Realit?t, die im Herzen so brannte als würde man sich trocken gegen den Strich rasieren.
Er war gestern früh zu Bett gegangen. Niedergeschlagen und voll innerem Schmerz. Zuerst hatte er lange nicht einschlafen k?nnen. Immer wieder waren seine Gedanken zu dem Moment zurückgekehrt, als er froher Dinge mittags von der Schule nach Hause gekommen war und dann sein Zimmer betreten hatte, um den Rucksack dort abzustellen. Und wie er dort mit einem Blick zum K?fig nerv?s festgestellt hatte, dass auf keiner der drei Holzstangen sein Sammy gesessen hatte. Und dann war er misstrauisch immer n?her gekommen und zum ersten Mal war ihm aufgefallen, dass er nichts geh?rt hatte. Kein Pfeifen, kein Trillern, nichts. Nur unheilvolle Stille. Bevor er unmittelbar vor dem K?fig gestanden hatte und den Kadaver sehen sollte, war er schon sicher, dass etwas Schlimmes passiert war. Das Schlimmste, was man sich in dieser Situation nur vorstellen konnte. Dennoch hatte ein Teil seines Verstandes versucht, eine plausible Erkl?rung dafür zu finden: Vielleicht frisst er gerade am K?figboden, so dass man ihn durch das dunkle Plastikgeh?use nicht sieht. Er klettert manchmal nach unten und wühlt inmitten der Schalen, seinem Kot und seinen Federn, sucht nach seinen hei? geliebten K?rnern, die ihm manchmal aus dem Schnabel und dann hier runter fallen. Für einen Bruchteil hatte ihn das überzeugt, doch dann, als er vor dem K?fig gestanden hatte, hatten ihm seine Augen das gezeigt, was er ein paar Sekunden zuvor gedacht hatte.
Immer wieder hatte sich Peter gestern Nacht, bevor er sp?t eingeschlafen war, an diese Augenblicke des Tages erinnert. Immer wieder war er von der Schule zurückgekehrt und hatte dann in seinem Kinderzimmer immer wieder feststellen müssen, dass Sammy tot am Boden seines K?figs kauerte. Die Bilder hatten sich solange wiederholt wie ein Rennauto, das unabl?ssig immer dieselben Runden dreht und Peter hatte gedacht, er würde verrückt werden. Dann war er jedoch müde und immer müder geworden war. Seine Augen waren langsam zugefallen und seine Erinnerungen waren davongeflogen wie Schmetterlinge im Sommer, w?hrend es um ihn herum dunkel geworden war. Dann war er eingeschlafen, aber nur kurz, bis er wieder aufgewacht war. Jedes Mal, wenn das passiert war und ihn im n?chsten Moment die pl?tzlichen Erinnerungen des letzten Tages überrollt hatten wie ein Zug, hatte er das Licht anknipsen und wieder in die auf seinem Nachttisch stehende Holzkiste blicken müssen. Wo sein Freund gelegen hatte, der nicht mehr sein Freund war. ?ffne doch deine Augen, hatte er gedacht mit müden Augen, die nicht schlafen konnten. Beweg deine Flügel, mach deinen Schnabel auf wie damals, als ich dich gefüttert habe. Tu doch etwas. Doch es war nichts geschehen. Er hatte verzweifelt und müde das Licht ausgeknipst und hatte, schon fast wieder im Halbschlaf, ganz entfernt wahrgenommen, wie drau?en der Regen gegen die Jalousie geklopft hatte. Leise, fast z?rtlich. Einen kurzen Moment sp?ter war er erneut einged?st, war aber diese Nacht nie ganz in die Tiefen des Schlafs, wo die Tr?ume liegen, vorgedrungen. Wenn er n?mlich getr?umt h?tte, h?tte er nur einen einzigen Traum gehabt. Und es w?re ein wundersch?ner Traum gewesen.
Das letzte Mal nickte er um kurz vor halb fünf Uhr morgens verzweifelt wieder ein, um eine halbe Stunde sp?ter wieder aufzuwachen. Dann, hatte er, mit einem Mal hellwach als h?tte er einen Hundertmeterlauf hinter sich gebracht, auf dem Rücken liegend und mit hinter dem Kopf verschr?nkten H?nden und klopfendem Herzen gewartet, bis es hell geworden war. Um sechs Uhr hatte er seine Nachttischlampe endgültig angeknipst, war aufgestanden und hatte, nachdem er die kleine Holzkiste in seinen Rucksack gepackt hatte, die Wohnung ohne Frühstück verlassen.
Jetzt, als Peter einen Katzensprung vom Wald entfernt war, lag der Kleine also ganz kalt und zusammengekrümmt in der Kiste im Rucksack. Die Augen, die Peter an manchen Tagen so aufmerksam und nachdenklich gemustert hatten, wenn dieser sich ganz nah mit seinem Gesicht zum K?fig gewandt hatte, lagen jetzt vertrocknet und leblos in ihren H?hlen und blickten ins Leere. Neben der Holzkiste befanden sich noch eine kleine Kelle sowie zwei einzelne Zweige, die Peter mithilfe einer Schnur zu einem Kreuz zusammengebunden hatte. Die dünnen Zweige hatte er von einem der ?ste des gro?en vor der Küche im Garten stehenden Apfelbaums abgerissen. Die Kelle hatte er aus der Garage seines Vaters, wo noch allerhand Werkzeuge für Garten und Haushalt verstreut auf einem zweist?ckigen Regal lagen, das an der Wand lehnte. Die Kelle war zwar zum Graben nicht das Optimale, aber es blieb ihm nichts anderes übrig. Die gro?e Schaufel, die sein Vater für den Garten benutzte und die zusammen mit dem Besen in einer Ecke der Garage stand, wollte Peter nicht mitnehmen, weil er gedacht hatte, es würde komisch aussehen, wenn er mit ihr zusammen durch die meist lebhaften Stra?en bis zum Wald ging.
Eine kleine Tr?ne wollte jetzt vergossen werden, aber Peter unterdrückte sie. Er hatte im Augenblick keine Zeit. Er k?mpfte mit sich. Auf der einen Seite wollte er es tun. Das tun, wozu er hergekommen war, aber es hielt ihn etwas fest. Er konnte nicht weiter gehen als w?ren seine Schuhe am Boden festgewachsen. Er k?mpfte gegen das Gefühl an, doch etwas Falsches zu tun. Er wollte den Kleinen, seinen Liebling nicht hergeben. Für ihn lebte er immer noch in seiner Welt, wo kleine V?gel nicht starben. Deshalb hatte er das Gefühl, er würde ihn, wenn er sein Vorhaben durchzog, lebendig begraben. Ermorden. Peter schweifte ab und seine Phantasie malte grauenvolle Bilder in seinem Kopf. Innerhalb weniger Augenblicke standen ihm die Haare zu Berge.
Der Kleine wird in dieser engen Kiste unter der Erde die Augen aufschlagen und wei? zuerst gar nicht, wo er ist. Er hat damit gerechnet, in seinem K?fig zu sein, auf seiner Stange zu sitzen. Aber er sieht nur Dunkelheit. Er pfeift, nein er schreit f?rmlich. Er hat Angst. Er schreit um Hilfe, aber seine Schreie klingen ged?mpft in diesem kleinen Sarg unter der Erde. Er hat Angst und schreit immer wieder "Lass mich raus, lass mich raus". Niemand h?rt ihn an diesem einsamen Waldstück. Auch ich h?re ihn nicht mehr, denn ich bin schon l?ngst unterwegs nach Hause und denke, dass ich mein totes Haustier begraben habe. Die Schreie werden immer kl?glicher, leiser. Er bekommt da unten keine Luft mehr. Er erstickt. Langsam und qualvoll. Ob ein Vogel genauso leidet wie ein Mensch, wenn…
Er lebt doch nicht mehr, schrie sich Peter auf einmal in Gedanken an. Der realistische Teil in ihm, der gleichzeitig vernünftig und erwachsen war, machte sich Luft. Er ist tot. Willst du ihn daheim aufbewahren und zusehen wie er langsam verwest? Riechen, wie er zu stinken anf?ngt? Beobachten, wie immer mehr Fliegen von dem Kadaver angezogen werden? Nein, tu was die Vernunft von dir verlangt. Der Kleine h?tte es sicher so gewollt. Jeder Mensch und jedes Tier hat das Recht auf eine Bestattung. Und auch Sammy hat das Recht dazu, weil er tot ist, Peter. Er ist tot. Definitiv tot. Mausetot. Also begrab ihn! Und zwar jetzt! Diese selbstbewusste Stimme in ihm überzeugte ihn, weil sie sich richtig anh?rte und die unsichtbare Mauer und die Zweifel verschwanden. Er setzte sich langsam in Bewegung und ging in Richtung Wald. Seine Knie knackten ein wenig und jetzt erst merkte er, dass er eine halbe Ewigkeit an diesem Fleck gestanden und überlegt hatte. Fieberhaft mit sich gehadert hatte so wie auf einem Markt lange um den Preis gefeilscht wird. Obwohl er sich jetzt entschieden hatte, sein Vorhaben zu verwirklichen und sich dafür stark gemacht hatte, so glaubte er ganz tief in seinem Inneren immer noch nicht ganz daran, dass sein kleiner Freund seine ?uglein für immer geschlossen hatte. Trotzdem ging er weiter.
Glauben konnte er es bis jetzt immer noch nicht, obwohl der Kleine tot war, für immer ausgel?scht wie ein kleines Feuer durch einen Eimer kalten Wassers. Auch, nachdem er ihn fast zehn Minuten mit Tr?nen in den Augen angesehen hatte, wie er tot am Boden seines K?figs lag, war es unm?glich für ihn, sich zu überzeugen, dass sein ehemaliger Freund sein Leben zu Ende gelebt hatte. Aufgeh?rt hatte, sein Freund zu sein. Peters Augen hatten gesehen, aber sein Verstand hatte hinterhergehinkt wie ein alter, gebrechlicher Greis. Er konnte es nicht fassen so wie jemand, der seit zwanzig Jahren Lotto spielt, erst einmal realisieren muss, dass er den Jackpot mit sechs Richtigen ausger?umt hat. Peter hatte ihn sogar mehrmals mit dem Zeigefinger angestupst. Gehofft, er würde dadurch aufwachen aus seinem, wie er sich in Gedanken einredete, tiefen Schlaf und seine kleinen Vogelaugen ?ffnen. Aber das passierte natürlich nicht. Der Kleine hatte sich nicht mehr gerührt und jetzt h?tte nur noch ein Wunder helfen k?nnen, aber Wunder gab es auf dieser Welt nicht. Kleine Wunder, die streng genommen eigentlich keine waren, gab es durchaus, aber um Sammy wieder lebendig werden zu lassen, h?tten diese Art von Wunder nicht ausgereicht. Trotzdem hatte Peter bitte lieber Gott, mach das er wieder atmet gedacht. Mach, dass er wieder einen seiner kleinen Flügel bewegt oder sonst ein Lebenszeichen von sich gibt. Lieber Gott, ich verspreche dir auch, dass ich jeden Sonntag brav und artig in die Kirche gehe. Wenn du ihn mir wieder zurückgibst, verspreche ich dir sogar, dass ich auch die Abendmesse samstags besuche. Dabei hatte er mit feuchten und ger?teten Augen nach oben zur wei?en Decke der Küche geblickt, die kalten H?nde gefaltet und sein flehender Blick h?tte das Herz eines jeden Menschen zum Schmelzen bringen k?nnen. Aber nicht Gottes Herz, wenn er denn eins hatte und überhaupt zuh?rte.外语学习网
Der kleine Vogel regte sich kein bisschen mehr, weil Gott es so wollte und schlief den ewigen Schlaf der Toten.
Nie wieder würde er Peter sanft des Morgens mit seiner lauten und schrillen Vogelstimme wecken, wenn die ersten Sonnenstrahlen durch die Ritzen der Jalousie fielen. Nie wieder würde er ihm die schwarzwei?en, gro?en Futterkerne, die Peter ihm manchmal an die Gitterst?be des K?figs gehalten hatte, mit seinem Schnabel aus Daumen und Zeigefinger entrei?en, um sie dann zu knacken und das Innere genüsslich zu fressen. Nie wieder würde er ihn mit seinen sympathischen Vogelaugen anblicken, die oft nachdenklich gewirkt hatten und eine eigene Geschichte zu erz?hlen hatten. Eine Geschichte, die Peter nie erfahren hatte. Eine Geschichte, die der Kleine mit in sein Grab genommen hatte. Das Alles war für immer vorbei.
Jetzt stand Peter mit dem blauen Rucksack in der N?he des Waldes. Den Rucksack hatten ihm seine Eltern zum letzten Weihnachten geschenkt. Er war gro? und ger?umig und es passten jede Menge Bücher und Hefte hinein. Dieser Vorteil barg jedoch den Nachteil, dass das Ding dann verdammt schwer wurde und wenn Peter an manchen Schultagen verschwitzt und müde nach Hause kam und sich das schwere Ungetüm abstreifte, fühlte er sich unendlich erleichtert.
Der Junge hatte den Rucksack vorher gründlich entleert und die Schulsachen lagen nun auf dem Boden seines Kinderzimmers verstreut. Als Gep?ck führte er unter anderem eine aus Holz gebastelte kleine Kiste mit. Er hatte sie damals im Werkunterricht in der Grundschule angefertigt und seitdem war sie auf einem Regal über seinem Bett gestanden. Er hatte eigentlich nie gewusst, für was so ein Ding gut sein konnte, au?er das man es irgendwo hinstellen konnte so wie man ein Bild an die Wand h?ngt, so dass es jeder sehen kann. Bis gestern. Gestern Abend hatte er, nachdem er wieder einigerma?en klar denken konnte, einen Einfall gehabt. Er würde die Kiste als Sarg benutzen und sie zusammen mit dem Kadaver drau?en im Wald an einem einsamen Platz vergraben. Aber selbst, als er den Kleinen vorsichtig mit seiner Hand aus dem K?fig herausgehoben, in die kleine Kiste aus Holz hineingelegt hatte und dabei den ungew?hnlich kalten K?rper gespürt hatte, hatte er es nicht richtig glauben k?nnen. Als würde ich tr?umen, hatte er gestern gedacht. Wenn es ein Traum ist, dann hoffe ich, dass ich bald aufwachen werde. Die Hoffnung war in dem Moment immer gr??er geworden wie ein Ballon, den man aufbl?st und mit einem Mal war sich Peter v?llig sicher gewesen. Er hatte fast gel?chelt. Er war wieder in seiner Welt des Wunschdenkens gewesen. Eine Welt, in die er ?fters in seinem Leben geflüchtet war so wie man vor einem ungew?hnlich kalten Winternachmittag flieht, indem man nach Hause l?uft, um dort vor der voll aufgedrehten Heizung und in dicke Decken gepackt, einen hei?en Tee zu genie?en. Eine Welt, in der der Himmel immer blau und wolkenlos war, wo es nie K?lte und Dunkelheit gab, wo kein Leid, keine Schmerzen, keine Niederlagen existierten und wohin der Tod nie kommen würde. Sein kleiner Freund konnte unm?glich tot sein und wenn er doch tot war, dann musste es ein Traum sein. Eine Stimme, die er kannte, hatte geflüstert: Alles nur ein Traum. Ja. Ich werde die Augen aufschlagen, feststellen, dass es sieben Uhr morgens ist und dass der kleine Sammy auf seiner Stange sitzt. Lebendig. Und ich werde mich erleichtert wieder umdrehen und mich an die Volksweisheit erinnern, dass wenn jemand im Traum stirbt, man dadurch sein Leben verl?ngert hat. Glücklich und zufrieden werde ich dann wieder einschlafen.
Aber er war nicht aufgewacht. Immer wieder hatte er sich in den Arm gekniffen, bis er lauter rote Flecken gehabt hatte. Und wehgetan hatte es auch. Leider, denn das bewies die Tatsache, dass es kein Traum war, in dem passieren konnte, was wollte, ohne dass es richtig passierte, sondern kalte, brutale Realit?t. Realit?t, die im Herzen so brannte als würde man sich trocken gegen den Strich rasieren.
Er war gestern früh zu Bett gegangen. Niedergeschlagen und voll innerem Schmerz. Zuerst hatte er lange nicht einschlafen k?nnen. Immer wieder waren seine Gedanken zu dem Moment zurückgekehrt, als er froher Dinge mittags von der Schule nach Hause gekommen war und dann sein Zimmer betreten hatte, um den Rucksack dort abzustellen. Und wie er dort mit einem Blick zum K?fig nerv?s festgestellt hatte, dass auf keiner der drei Holzstangen sein Sammy gesessen hatte. Und dann war er misstrauisch immer n?her gekommen und zum ersten Mal war ihm aufgefallen, dass er nichts geh?rt hatte. Kein Pfeifen, kein Trillern, nichts. Nur unheilvolle Stille. Bevor er unmittelbar vor dem K?fig gestanden hatte und den Kadaver sehen sollte, war er schon sicher, dass etwas Schlimmes passiert war. Das Schlimmste, was man sich in dieser Situation nur vorstellen konnte. Dennoch hatte ein Teil seines Verstandes versucht, eine plausible Erkl?rung dafür zu finden: Vielleicht frisst er gerade am K?figboden, so dass man ihn durch das dunkle Plastikgeh?use nicht sieht. Er klettert manchmal nach unten und wühlt inmitten der Schalen, seinem Kot und seinen Federn, sucht nach seinen hei? geliebten K?rnern, die ihm manchmal aus dem Schnabel und dann hier runter fallen. Für einen Bruchteil hatte ihn das überzeugt, doch dann, als er vor dem K?fig gestanden hatte, hatten ihm seine Augen das gezeigt, was er ein paar Sekunden zuvor gedacht hatte.
Immer wieder hatte sich Peter gestern Nacht, bevor er sp?t eingeschlafen war, an diese Augenblicke des Tages erinnert. Immer wieder war er von der Schule zurückgekehrt und hatte dann in seinem Kinderzimmer immer wieder feststellen müssen, dass Sammy tot am Boden seines K?figs kauerte. Die Bilder hatten sich solange wiederholt wie ein Rennauto, das unabl?ssig immer dieselben Runden dreht und Peter hatte gedacht, er würde verrückt werden. Dann war er jedoch müde und immer müder geworden war. Seine Augen waren langsam zugefallen und seine Erinnerungen waren davongeflogen wie Schmetterlinge im Sommer, w?hrend es um ihn herum dunkel geworden war. Dann war er eingeschlafen, aber nur kurz, bis er wieder aufgewacht war. Jedes Mal, wenn das passiert war und ihn im n?chsten Moment die pl?tzlichen Erinnerungen des letzten Tages überrollt hatten wie ein Zug, hatte er das Licht anknipsen und wieder in die auf seinem Nachttisch stehende Holzkiste blicken müssen. Wo sein Freund gelegen hatte, der nicht mehr sein Freund war. ?ffne doch deine Augen, hatte er gedacht mit müden Augen, die nicht schlafen konnten. Beweg deine Flügel, mach deinen Schnabel auf wie damals, als ich dich gefüttert habe. Tu doch etwas. Doch es war nichts geschehen. Er hatte verzweifelt und müde das Licht ausgeknipst und hatte, schon fast wieder im Halbschlaf, ganz entfernt wahrgenommen, wie drau?en der Regen gegen die Jalousie geklopft hatte. Leise, fast z?rtlich. Einen kurzen Moment sp?ter war er erneut einged?st, war aber diese Nacht nie ganz in die Tiefen des Schlafs, wo die Tr?ume liegen, vorgedrungen. Wenn er n?mlich getr?umt h?tte, h?tte er nur einen einzigen Traum gehabt. Und es w?re ein wundersch?ner Traum gewesen.
Das letzte Mal nickte er um kurz vor halb fünf Uhr morgens verzweifelt wieder ein, um eine halbe Stunde sp?ter wieder aufzuwachen. Dann, hatte er, mit einem Mal hellwach als h?tte er einen Hundertmeterlauf hinter sich gebracht, auf dem Rücken liegend und mit hinter dem Kopf verschr?nkten H?nden und klopfendem Herzen gewartet, bis es hell geworden war. Um sechs Uhr hatte er seine Nachttischlampe endgültig angeknipst, war aufgestanden und hatte, nachdem er die kleine Holzkiste in seinen Rucksack gepackt hatte, die Wohnung ohne Frühstück verlassen.
Jetzt, als Peter einen Katzensprung vom Wald entfernt war, lag der Kleine also ganz kalt und zusammengekrümmt in der Kiste im Rucksack. Die Augen, die Peter an manchen Tagen so aufmerksam und nachdenklich gemustert hatten, wenn dieser sich ganz nah mit seinem Gesicht zum K?fig gewandt hatte, lagen jetzt vertrocknet und leblos in ihren H?hlen und blickten ins Leere. Neben der Holzkiste befanden sich noch eine kleine Kelle sowie zwei einzelne Zweige, die Peter mithilfe einer Schnur zu einem Kreuz zusammengebunden hatte. Die dünnen Zweige hatte er von einem der ?ste des gro?en vor der Küche im Garten stehenden Apfelbaums abgerissen. Die Kelle hatte er aus der Garage seines Vaters, wo noch allerhand Werkzeuge für Garten und Haushalt verstreut auf einem zweist?ckigen Regal lagen, das an der Wand lehnte. Die Kelle war zwar zum Graben nicht das Optimale, aber es blieb ihm nichts anderes übrig. Die gro?e Schaufel, die sein Vater für den Garten benutzte und die zusammen mit dem Besen in einer Ecke der Garage stand, wollte Peter nicht mitnehmen, weil er gedacht hatte, es würde komisch aussehen, wenn er mit ihr zusammen durch die meist lebhaften Stra?en bis zum Wald ging.
Eine kleine Tr?ne wollte jetzt vergossen werden, aber Peter unterdrückte sie. Er hatte im Augenblick keine Zeit. Er k?mpfte mit sich. Auf der einen Seite wollte er es tun. Das tun, wozu er hergekommen war, aber es hielt ihn etwas fest. Er konnte nicht weiter gehen als w?ren seine Schuhe am Boden festgewachsen. Er k?mpfte gegen das Gefühl an, doch etwas Falsches zu tun. Er wollte den Kleinen, seinen Liebling nicht hergeben. Für ihn lebte er immer noch in seiner Welt, wo kleine V?gel nicht starben. Deshalb hatte er das Gefühl, er würde ihn, wenn er sein Vorhaben durchzog, lebendig begraben. Ermorden. Peter schweifte ab und seine Phantasie malte grauenvolle Bilder in seinem Kopf. Innerhalb weniger Augenblicke standen ihm die Haare zu Berge.
Der Kleine wird in dieser engen Kiste unter der Erde die Augen aufschlagen und wei? zuerst gar nicht, wo er ist. Er hat damit gerechnet, in seinem K?fig zu sein, auf seiner Stange zu sitzen. Aber er sieht nur Dunkelheit. Er pfeift, nein er schreit f?rmlich. Er hat Angst. Er schreit um Hilfe, aber seine Schreie klingen ged?mpft in diesem kleinen Sarg unter der Erde. Er hat Angst und schreit immer wieder "Lass mich raus, lass mich raus". Niemand h?rt ihn an diesem einsamen Waldstück. Auch ich h?re ihn nicht mehr, denn ich bin schon l?ngst unterwegs nach Hause und denke, dass ich mein totes Haustier begraben habe. Die Schreie werden immer kl?glicher, leiser. Er bekommt da unten keine Luft mehr. Er erstickt. Langsam und qualvoll. Ob ein Vogel genauso leidet wie ein Mensch, wenn…
Er lebt doch nicht mehr, schrie sich Peter auf einmal in Gedanken an. Der realistische Teil in ihm, der gleichzeitig vernünftig und erwachsen war, machte sich Luft. Er ist tot. Willst du ihn daheim aufbewahren und zusehen wie er langsam verwest? Riechen, wie er zu stinken anf?ngt? Beobachten, wie immer mehr Fliegen von dem Kadaver angezogen werden? Nein, tu was die Vernunft von dir verlangt. Der Kleine h?tte es sicher so gewollt. Jeder Mensch und jedes Tier hat das Recht auf eine Bestattung. Und auch Sammy hat das Recht dazu, weil er tot ist, Peter. Er ist tot. Definitiv tot. Mausetot. Also begrab ihn! Und zwar jetzt! Diese selbstbewusste Stimme in ihm überzeugte ihn, weil sie sich richtig anh?rte und die unsichtbare Mauer und die Zweifel verschwanden. Er setzte sich langsam in Bewegung und ging in Richtung Wald. Seine Knie knackten ein wenig und jetzt erst merkte er, dass er eine halbe Ewigkeit an diesem Fleck gestanden und überlegt hatte. Fieberhaft mit sich gehadert hatte so wie auf einem Markt lange um den Preis gefeilscht wird. Obwohl er sich jetzt entschieden hatte, sein Vorhaben zu verwirklichen und sich dafür stark gemacht hatte, so glaubte er ganz tief in seinem Inneren immer noch nicht ganz daran, dass sein kleiner Freund seine ?uglein für immer geschlossen hatte. Trotzdem ging er weiter.