德语故事:EinwahresMärchen
Sicher hat man euch, als ihr noch kleiner ward, Märchen vorgelesen, die oft in einem Königreich spielten. Es gab eine Prinzessin, einen Prinzen, böse und gute Feen und einen König. Am Ende ging alles gut aus und sie lebten glücklich und zufrieden.
Heute seid ihr schon größer und habt sicher in der Schule gelernt, dass es die Untertanen in so einem Königreich gar nicht immer so gut hatten.
Und das lag daran, dass der jeweilige König so ziemlich machen konnte, was er wollte. Die Untertanen hatten ihm zu gehorchen, ohne Widerrede.
Es gab sogar etwas, dass man Leibeigenschaft nannte. Das bedeutete, dass man seinem König oder Fürsten regelrecht gehörte. Man durfte nicht umziehen, wenn man es wollte, man durfte nicht heiraten wen man wollte, man musste Tag und Nacht für den Herrscher da sein und ihn immer fragen, ob man etwas dürfe. Viele Menschen hungerten damals, da sie arm waren und von dem Wenigen, was sie auf ihren kleinen Bauernhöfen erwirtschafteten auch noch etwas abgeben mussten an den König und auch an die Kirche. Kein Wunder, dass die Leute immer unzufriedener wurden und das gerne geändert hätten. Aber es war ihnen natürlich verboten, etwas zu ändern. Alles sollte so bleiben wie es war, sagten die Herrscher.
Klar, denn die hatten es ja sehr gut, immer genug zu essen, konnten in Palästen leben und ließen sich den ganzen Tag von den Armen bedienen.
Und damit das so blieb, erließen sie strenge Gesetze. In denen stand zum Beispiel, dass man noch nicht einmal etwas gegen den König sagen durfte.
Tat man es doch und beschimpfte den Herrscher, war das dann Majestätsbeleidigung und man wurde bestraft. Was konnten die Menschen also tun? In allen Ländern Europas ging es den Völkern gleich schlecht.
Sie arbeiteten schwer, aber konnten sich nichts leisten, hatten nichts zu essen und wenig Freuden. Viele der Märchen, die ihr kennt, sind in diesen schweren Zeiten entstanden. Die armen Menschen haben sie sich ausgedacht und erzählt. Man sieht in den Geschichten, dass sie sich sehnlichst immer ein gutes Ende wünschten. Da das wirkliche Leben aber leider kein Märchen ist, mussten sich die Leute etwas einfallen lassen, um ihre Lage zu verbessern. Das war sehr schwierig, denn ihr habt ja gehört, dass man noch nicht einmal etwas gegen den König sagen durfte.
Viele von euch waren sicher schon einmal in den großen Ferien in unserem Nachbarland Frankreich. Stellt euch einmal vor, in diesem wunderbaren Land haben sich die Menschen vor langer Zeit, im Jahre 1789 zum ersten Mal getraut, etwas gegen den Herrscher zu unternehmen. Das war sehr gefährlich, denn der König hatte Soldaten mit Gewehren, die sofort bei einer Meuterei der Untertanen gegen diese vorgingen. Die Menschen litten jedoch so große Not, hatten Hunger und mussten in einem schrecklichen Elend leben, so dass sie sich, obwohl sie Angst hatten, zusammenschlossen und gegen ihre Unterdrücker vorgingen. Gemeinsam waren sie stark und wurden immer stärker. Sie stürmten das Schloss des Königs, nahmen die königliche Familie gefangen und stellten diese vor ein Gericht. So kam es, dass in Frankreich der König nicht mehr regieren durfte. Aber so einfach war das nicht. Es dauerte lange und es gab viele Opfer bei dieser Revolution. Revolution nennt man es, wenn ein Volk gegen seine Unterdrücker aufbegehrt. Da mächtige Herrscher nicht freiwillig aufgeben und ihren Besitz dann allen zukommen lassen, musste leider gekämpft werden. Und in Kämpfen gibt es immer Verletzte und oft sogar Tote. Das war in Frankreich damals auch nicht anders. Nachdem die Unterdrückten gesiegt hatten, gab es eine neue politische Ordnung. Jetzt war das Volk im Besitz der Macht und nicht mehr ein einzelner König. Die französischen Menschen hatten für sich ein Märchen wahr gemacht.
Bei uns im Nachbarland Deutschland, sah zu der Zeit alles noch ganz anders aus. Einige Leute in unserem Land hatten schon von den Ereignissen in Frankreich gehört. Das war damals aber nicht so einfach.
Es gab keinen Fernseher, den man einschaltete, um sich dann die Nachrichten anzusehen. Es gab manchmal nicht einmal Zeitungen. Und wenn es die gab, konnten trotzdem viele nicht lesen oder die Zeitung war zu teuer, um sie sich zu kaufen. So verbreiteten sich die Nachrichten von der Revolution in Frankreich nicht ganz so schnell. Aber dennoch erzählten Reisende den Leuten davon oder in den Gebieten, wo Frankreich an Deutschland grenzt, bekamen die Menschen mit, was da nebenan Ungeheuerliches los war. Einen König anzugreifen war unvorstellbar für viele damals. Man glaubte ja ganz fest daran, dass Gott selbst den König als Herrscher eingesetzt hatte. Wenn man nun einen König angriff, griffe man ja Gott an. So dachten die Menschen hier, und trauten sich noch weniger etwas zu tun. Auch in Frankreich hatte man so gedacht und sich dennoch getraut zu kämpfen. Viele Franzosen waren aber sicher die ganze Zeit verängstigt und fürchteten eine Gottesstrafe. Als sie den König abgesetzt hatten, merkten sie dann, dass ihnen nichts passierte. Demnach konnte es also nicht stimmen, was sie die ganze Zeit geglaubt hatten.
Viele Studenten, Professoren und Schriftsteller bei uns wollten ebenfalls diese andere bessere Ordnung im Lande haben. Sie alle lebten auch in Armut und Elend und sahen, dass auch unser König hier sein Volk brutal unterdrückte. Wenn man mit seinem König wenigstens einen Vertrag machen könnte, dachten sie sich. Ihr wißt vielleicht, was ein Vertrag ist. In einem Vertrag verpflichten sich zwei Partner verschiedene Dinge zu leisten. Das bedeutet, dass jeder dem anderen etwas geben muss und beide Seiten müssen sich daran halten, wenn sie den Vertrag mit ihrem Namen unterschrieben haben. Beide haben gleiche Rechte und Pflichten.